📰 NEUE BILDKUNST: WENN KÜNSTLER MIT ALGORITHMEN MALEN UND DIE WELT ZURÜCKSCHAUT

Von Brownz.art – Sonderbericht zur Lage der Kunst 2025

Die Welt der bildenden Kunst erlebt derzeit eine tiefgreifende Transformation – und sie geschieht nicht in den Museen. Sondern in Browsern, Prompt-Fenstern und den Köpfen von Künstlerinnen und Künstlern, die sich selbst als System begreifen. Zwischen neuronalen Netzwerken und zerbrochenen Symbolen formiert sich eine neue visuelle Sprache – roh, vieldeutig, provozierend. Die Leinwand schweigt nicht mehr. Sie widerspricht.

Die Leinwand lebt – und widerspricht

Während klassische Malerei oft mit Komposition, Technik und Farbe verbunden wird, sprechen wir 2025 von Feedback-Loops, neuronalen Netzen und semantischen Bildfehlern. Die neue Bildkunst ist nicht mehr stumm. Sie reagiert.

Ob mit KI-generierten Bildern, Mixed-Media-Installationen oder rebellisch überarbeiteten Selfies – heute ist der künstlerische Prozess oft ein psychologischer. Die Tools mögen neu sein – doch die Fragen sind älter denn je: Wer bin ich? Was bedeutet Wahrheit? Wo beginnt Manipulation?

„Wenn ein Bild nichts mit mir macht, ist es kein Bild, sondern Werbung.“

So oder ähnlich denken viele der neuen Avantgardisten. Die Frage „Ist das Kunst?“ hat sich erledigt. Entscheidend ist: Wie viel innere Reibung steckt darin? Wie stark ist der Widerspruch, den es aushält – oder auslöst?

Trend 1: Glitches, Parasiten und Symbolfragmente

In den sozialen Medien und auf neuen Ausstellungsplattformen zeigt sich ein deutlicher Trend: Kunst darf kaputt sein. Oder besser: Sie muss.

  • Totenköpfe mischen sich mit Emojis.
  • Glitch-Effekte wirken nicht wie Fehler, sondern wie Zitate.
  • Text-zu-Bild-KI wird als absurde Impro-Maschine genutzt, um neue Welten zu bauen.
  • Halbgare Kompositionen, scheinbar unfertige Skizzen, visuelle Parasiten: Sie sind kein Mangel, sondern Methode.

Gerade diese bewussten Stilbrüche erzeugen beim Betrachter eine Irritation – und genau darin liegt ihr Reiz. Das Werk fordert Haltung, nicht Zustimmung. Es ist ein Testfeld für Reaktion, Deutung, Projektion.

Trend 2: Kunst aus Systemen, nicht aus Eingebung

Die romantische Vorstellung vom genialen Einfall verliert an Boden. Stattdessen arbeiten viele Künstler:innen heute wie Designer von Systemen:

  • Sie entwickeln Begriffskarten, um Themenfelder visuell zu erschließen.
  • Sie legen Fehlerdatenbanken an, um aus ihren Irrtümern Werke zu schaffen.
  • Sie setzen sich klare Routinen – oft mit Zeitdruck, um Spontaneität zu provozieren.
  • Zufallsprinzipien, Regelwerke und Einschränkungen werden als kreative Motoren genutzt.

Das Ziel ist nicht das perfekte Bild. Sondern ein echtes Bild. Eines, das durch seinen Entstehungsprozess eine eigene Logik bekommt. Kunst wird zur Strategie – nicht zur Laune. Das Studio gleicht einem Labor. Jeder visuelle Eingriff ist ein Experiment mit offenem Ausgang.

Trend 3: Die Rückkehr des Analogen – aber anders

Gerade weil so viel digital und generierbar ist, erlebt das Analoge eine neue Wertschätzung:

  • Handschrift wird zum Ausdruck von Unverwechselbarkeit.
  • Überdrucke, Collagen, haptische Materialien wirken wie Protest gegen die KI-Ästhetik.
  • Fehlerhafte oder unfertige Bilder werden nicht aussortiert, sondern bewusst gezeigt.
  • Alte Techniken (Siebdruck, Transferdruck, Frottage) werden mit digitalen Prozessen kombiniert.

Nicht selten erscheinen diese Arbeiten wie visuelle Brüche mit der Optimierungskultur. Es geht um Reibung. Um Textur. Um das, was man nicht glätten kann.

Trend 4: Visuelle Philosophie statt Statementkunst

Was auffällt: Immer mehr Künstler:innen formulieren keine klaren Botschaften mehr. Sie zeigen offene Fragen, Widersprüche, narrative Leerstellen. Ihre Werke wirken wie Denkmodelle – visuelle Philosophie ohne Handlungsanweisung.

  • Werke, die sich selbst widersprechen, gewinnen an Bedeutung.
  • Komplexe Layer statt simpler Slogans.
  • Kunst wird nicht zur Antwort, sondern zur Frageverstärkung.

Gerade in einer Zeit, in der alles erklärt, bewertet und polarisiert wird, schafft Bildkunst wieder Räume der Ambivalenz. Sie wird zum Reflexionsmedium – nicht zum Meme.

Fazit: Bildkunst ist kein Produkt mehr – sie ist eine Haltung

Wir leben in einer visuellen Kultur der permanenten Übersättigung. Umso stärker wirkt das Bild, das stört, widerspricht, verwirrt.

Die neue Bildkunst will nicht gefallen. Sie will fordern. Sie will nicht verkaufen. Sie will verbinden – oder trennen. Und sie fragt nicht mehr: „Was sieht schön aus?“ Sondern: „Was lässt dich nicht mehr los?“

Die Künstler:innen der Gegenwart sind weniger Maler, mehr Operatoren des Widerspruchs. Ihre Werke sind nicht dekorativ, sondern operativ.


#brownz.art – zwischen Pixeln, Parasiten und Perspektivbruch


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